Glückauf Zukunft?

Von den Ewigkeitslasten des Bergbaus zum Ewigkeitsnutzen von Bildung

Am 21. Dezember 2018 wurde in Essen das letzte Stück Steinkohle an den Bundespräsidenten überreicht. Ende 2018 lief endgültig der Steinkohlenbergbau in Deutschland aus. In Bottrop und Ibbenbüren haben die letzten Bergwerke geschlossen. 250 Jahre Industriegeschichte sind zu Ende, haben tiefe Narben und Spuren hinterlassen.

Die Ewigkeitslasten kommen „den Pott“ teuer zu stehen. „Wir haben eine Aufgabe für die Ewigkeit“, erklärte Helmut Linssen, Finanzvorstand der Ruhrkohlestiftung in einem Interview. Für die Folgekosten des Bergbaus ist die RAG-Stiftung zuständig. Mit Rückstellungen in Höhe von bis zu 15 Milliarden € ist für „unter Tage“ bestens vorgesorgt – siehe Konzernlagebericht 2017.

Finden wir diese Vorsorge auch bei der Bildung, Kinder- und Jugendhilfe? Nicht im entferntesten. Die sozialpolitischen Folgen „über Tage“ brachte DER SPIEGEL 2015 auf den Punkt: „Deutschland entwickelt sich zu einer Klassengesellschaft. Wer hierzulande arm geboren wird, wird es aller Voraussicht nach bleiben. Die Perspektiven eines Kindes hängen von seiner Herkunft ab. Seine Aufstiegsmöglichkeiten sind gering“.

Es braucht „Mehr Kohle für Bildung“, das zu ändern!

Wandel als Chance – geringe Chancen für Wandel

Die Beschlüsse von 2008 zur schrittweisen Stilllegung der letzten Zechen waren der Beginn des Projektes Konzept Ruhr // Wandel als Chance. Der Strukturwandel sollte mit einer vorausschauenden Strategie gestaltet werden. Interkommunale Arbeitsgemeinschaften streben seitdem gemeinsame Ziele zur nachhaltigen Entwicklung des Ballungsraums an. Das Ruhrgebiet wurde zum Modell für eine systematische Weiterentwicklung des Bildungssystems in industriell geprägten Räumen ausgerufen. Über Jahrzehnte sei nur die Rede gewesen von den Ewigkeitslasten des Bergbaus, von den Auswirkungen der Bergsenkungen auf das Straßen- und Schienennetz, auf Gebäude und Landschaft.

Ewigkeitsnutzen von Bildung

Die Oberbürgermeister und Landräte der Metropole Ruhr wollten damals – im Wissen, diese Ewigkeitslasten „im Griff“ zu haben – den Ewigkeitsnutzen von Bildung anstreben. Im Rahmen der Metropole Ruhr wurde den Handlungsfeldern Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung die Bildungsregion Ruhr 2018 gleichberechtigt an die Seite gestellt. 2012 wird der Bildungsbericht Ruhr vorgelegt. Es kommt eine beachtliche Entwicklung in Gang.

 

Anknüpfend an das Auslaufen der Steinkohleförderung gibt es Veranstaltungen und Bemühungen, die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen gezielt zu verbessern. Es werden große Hoffnungen gesetzt in die Ruhrkonferenz der Landesregierung – zu Unrecht. Deren 20 Themenfelder erscheinen als Sammlung von Puzzleteilen. Ein Gesamtbild von „Chancengleichheit“ ist bisher nicht einmal in Ansätzen erkennbar.

Kohleflöze – Schätze heben – „Schätzchen“ fördern

Wir kommen gerne der Aufforderung nach, gewerkschaftliche Kompetenz in Zukunftsbildung Ruhrgebiet 2018 oder die Ruhrkonferenz einzubringen. Es muss auch „über Tage“ stimmen, in den Kindertagesstätten, den Schulen, bei der Kinder- und Jugendhilfe.

Es ist viel die Rede – mit Tendenz zur Sonntagsrede – von „Talente fördern“ oder „Schätze heben“. „Schätze heben“ – damit war in der Montanzeit die Nordwanderung der Kohle gemeint. Die Kohleflöze lagen immer tiefer unter dem Deckgebirge – und wurden mit großem finanziellen, technischen Aufwand gefördert.

Und was ist mit der Förderung unserer „Schätzchen“, unseren tausenden (Sorgen-) Kindern? Wir sprechen für die Bevölkerung des Ruhrgebietes, deren Leben von Segregation und Ausgrenzung bestimmt ist.

Wir sind die Stimme der Kinder, der zukünftigen Erwachsenen. Ohne gut (aus)gebildete Menschen gibt es keine positive Entwicklung. Die Abwärtsspirale bleibt erhalten, dreht sich sogar schneller. Bildung gegen Spaltung – dafür kämpfen wir. Wir haben Informationen über den Ist-Zustand zusammen gestellt – als Aufforderung und Ausgangslage für notwendige Entwicklungen. Es ist höchste Zeit, in die Offensive zu gehen!

Martina Albretsen, Lothar Jacksteit, Alfons Kunze